Pino Arlacchi
Pino Arlacchi war von 1997 bis 2002 Untergeneralsekretär und leitender Direktor des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Er gilt als weltweit anerkannter Wissenschaftler und als eine der führenden Autoritäten auf den Gebieten der organisierten Kriminalität, des Schwarzmarkts und der globalen Sicherheit. Zwischen 2009−2014 war Arlacchi Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter für die "Neue Strategie" der EU für Afghanistan. Die Forschungsergebnisse und Empfehlungen Pino Arlacchis zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption und Geldwäsche kommen umfassend in Italien, Russland, der Europäischen Union, Asien und Lateinamerika zur Anwendung. In Italien war Pino Arlacchi in der Eigenschaft als leitender Berater des Innenministeriums 1991 für die Einrichtung einer Sonderbehörde zur Untersuchung besonders schwerer Straftaten verantwortlich. Darüber hinaus ist Pino Arlacchi Professor für Soziologie an der Fakultät für Politikwissenschaft der Universität Sassari und war Gastprofessor an der Columbia University in New York sowie an mehreren Universitäten innerhalb der EU. Im Jahr1993 überlebte er ein Attentat der Mafia. Pino Arlacchi wurde 1951 in Kalabrien geboren und lebt in Rom.
Der Kampf wird weiter geführt — Mit der gleichen Energie und Entschlossenheit
Der 75. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg ist eine Gelegenheit, den Kampf gegen Nazismus und Faschismus in der modernen Welt wieder aufleben zu lassen. Meine Bewertung der Gefahr eines derzeitigen Wiederauflebens ultrarechter Ideologien in der Welt und in Italien besteht darin, dass wir lernen müssen, ihre neuen Formen und perfiden Maskierungen zu erkennen. Und wir müssen bereit sein, sie mit der gleichen Energie und Entschlossenheit zu bekämpfen, wie unsere Väter und Großväter es vor 80 Jahren taten.

Die Versuche, einen neuen Kalten Krieg gegen Russland und China herbeizuführen sowie die Rolle der Sowjetunion beim Sieg zu revidieren, kommen aus ein und derselben Quelle — einer Desinformationsmaschine mit Sitz in den Vereinigten Staaten und mit Zweigstellen in Europa, Japan und anderen Ländern. Die Feuerkraft dieser Maschine wächst in dem Maße, wie die Geschichte ihren Lauf beschleunigt und uns in die postamerikanische multipolare Welt führt.

Die Propagandamaschinerie der Desinformation arbeitet, um den aktuellen historischen Prozess zu beeinträchtigen. Der Aufstieg Asiens zur Weltwirtschaftsmacht wird von ihr zu einer Quelle von Furcht, Instabilität und Konflikten umgewandelt. Die Zahlen der militärischen Modernisierung Chinas werden bis zur Unkenntlichkeit aufgeblasen und ihre Bedeutung wird verdreht, um ein "böses China" zu schaffen, das anstrebt, die ganze Welt zu überholen.
Die Europäer werden aufgefordert, ihre Militärausgaben zu erhöhen, um auf das Zusammentreffen mit dem "Feind, der um die Ecke drängt", vorbereitet zu sein — der sich jedoch gar nicht zum Angriff sammelt
Die große Wiedergeburt Russlands nach der schrecklichen Krise der 1990er Jahre, die Abkehr von der von den USA geförderten Ära der Geldwäsche und des Mafia-Kapitalismus und die Rückkehr zu seiner Außenpolitik der friedlichen multilateralen Zusammenarbeit wurden als drohende Gefahr für die Wiederkehr eines tyrannischen Regimes in das internationale System wahrgenommen. Die mediale Vergiftung war insofern teilweise erfolgreich, dass die Angriffe auf Putin sogar unter der europäischen Linken eine gewisse Unterstützung fanden.

Die Verunglimpfung des russischen Präsidenten und seines angeblichen Autoritarismus ist ein Sport, der 1999 begann, als Wladimir Putin in Russland an die Macht kam und ein Jahrzehnt der Demütigung beendete. Diese Tendenz verfestigte sich noch weiter im Sommer 2008 im Zusammenhang mit der Georgienkrise und erreichte seinen Höhepunkt nach dem antirussischen Putsch in der Ukraine im Jahr 2014.

Der Angriff wurde von den USA mit der Komplizenschaft der Europäischen Union provoziert, in einem beschämenden Widerspruch zu ihren eigenen Grundwerten. Wir bewegen uns rasch — in vielerlei Hinsicht leben wir bereits in ihr — auf eine multipolare und sicherere Welt zu, in der eine Reihe neuer Akteure die internationalen Beziehungen gestalten. Nach der Coronavirus-Pandemie und der anschließenden — ungleich gefährlicheren — Krise der gesamten kapitalistischen Weltwirtschaft wächst die Versuchung, das Rad der Geschichte anzuhalten oder umzukehren. Das Epizentrum dieses Syndroms bildet das mediale und politisch-akademische Establishment des Westens.

Nicht alle, aber ein bedeutender Teil davon ist jetzt damit beschäftigt, vor dem wachsenden Einfluss "illiberaler Demokratien" wie China und Russland zu warnen und jammern der guten alten Zeit einer internationalen Ordnung nach, die auf Regeln beruht, die nur in ihrer Phantasie existierten. Das bedeutet nicht, dass man leugnen muss, dass es ein von den Amerikanern geführtes globales Nachkriegssystem je gegeben hat. Es hat existiert. Aber diese Ordnung entstand durch den Ausschluss des Hauptgewinners dieses Krieges, gefolgt von der "Erfindung des Kalten Krieges" und der Teilung Europas in zwei entgegengesetzte Fronten bis 1989. Das Zentrum dieser Desinformationsmaschine war immer das von Halford Mackinder geschaffene Mantra: um jeden Preis jede Form der Vereinigung des europäischen Kontinents vom Atlantik bis zum Ural zu verhindern, was in der Praxis ein Kurs der Teilung und des einander Entgegenstellens Russlands und Westeuropas bedeutet.
Die gesamte Außenpolitik der USA nach dem Zweiten Weltkrieg — ungeachtet von Präsidentenwechseln, der Zusammensetzung des Kongresses oder des politischen Klimas — ist darauf aufgebaut, die beiden Hälften unseres Kontinents daran zu hindern, sich anzunähern
Es geht nicht nur darum, Kommunismus gegen Kapitalismus oder Autokratie gegen Demokratie zu stellen. Es geht darum, wer unseren gesamten Planeten beherrschen wird. Mit dem Aufstieg Chinas nach den Reformen von Deng Xiaoping und dem Beginn des "Ein Gürtel, eine Straße"-Projekts hat der Alptraum von Mackinder noch an Aktualität gewonnen. Die Annäherung zwischen der EU und Russland ist nicht nur ein Schritt in Richtung einer innerkontinentalen Vereinigung, die die Gründerväter der EU in den 1950er Jahren forderten. Ein noch größeres Ziel steht auf dem Spiel: der Prozess einer echten eurasischen Integration.

Die Geburt der großen eurasischen Welt als eine Zone der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die sich von Portugal bis Shanghai erstreckt — das ist der Alptraum, der die Atlantiker nachts wachhält. Und das gilt heute mehr denn je.

Die Schaffung des eurasischen Superkontinents ist eine "lange" Bewegung — longue durée -, in der Terminologie des französischen Historikers Fernand Braudel. Sie beruht auf der Wiedereingliederung der interkontinentalen Verbindung, die dreitausend Jahre lang bestand, bevor sie durch die transatlantische Expansion Europas im 16. Jahrhundert und die Schaffung von Kolonialreichen in Übersee geschwächt und unterbrochen wurde.

Kann jemand glauben, dass eine so eine kolossale Bewegung in der Weltgeschichte gestoppt oder sogar erheblich verlangsamt werden kann?

Können die sich wiederholenden Wellen banaler antirussischer und antichinesischer Propaganda, die vom US-Außenministerium, dem Pentagon, der CIA usw. erzeugt werden, die Bildung einer neuen Weltordnung zunichtemachen?

Natürlich nicht.

Aber man muss vorsichtig sein. Was oben gesagt wurde, bedeutet nicht, dass die Trommeln des Hasses und des Leids nicht geschlagen werden, vor allem in Europa, oder dass ihr zu vernehmender Klang nicht einfach nur ein zufälliger Ärger ist.
Die Trommeln des Hasses sind noch immer gefährlich. Der Sieg, errungen vor 75 Jahren, bildet einen epochalen Meilenstein in der ethnischen und politischen Entwicklung der Menschheit, aber er hat uns nicht gegen die Übel von Krieg und Unterdrückung geimpft
Seitdem setzt die neue imperialistische Weltmacht ihre altgewohnte Politik der bewaffneten Aggression und Ausbeutung schwächerer Länder fort.

Russophobe, sinophobe und xenophobe Ansichten sind in Europa nach wie vor verbreitet. Und selbst wenn diese Stimmen nur einer Minderheit von Bürgern und Politikern angehören, sollten wir niemals diese Tatsache aus den Augen verlieren.

Der Kampf gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Militarismus und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten — das war ein konstanter Teil unserer Geschichte und das ist er bis zum heutigen Tage. Sursum corda! — Kopf hoch!
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