Telma Luzzani
Telma Luzzani ist eine argentinische Journalistin, die sich auf internationale Politik spezialisiert hat. Sie ist Autorin mehrerer Bücher, darunter "Territorien unter Beobachtung. Wie das Netzwerk nordamerikanischer Stützpunkte in Südamerika funktioniert", "Alles, was Sie über den Kalten Krieg wissen müssen" und "Venezuela und die Revolution: Szenarien der Bolivarischen Ära". Telma Luzzani hat zahlreiche Artikel in Zeitschriften und Zeitungen u.a. in Argentinien, Brasilien, Mexiko, Spanien, Uruguay und Russland veröffentlicht. Als Korrespondentin und Kolumnistin für internationale Politik für die argentinische Zeitung Clarín in den Jahren 1989−2009 berichtete sie unter anderem über wichtige historische Ereignisse in der Sowjetunion, im Libanon und in Hongkong-China. Sie erhielt zahlreiche Preise und Anerkennungen aus verschiedenen Ländern. Derzeit moderiert Luzzani die Radiosendung "Stimmen der Welt", eine Produktion von SputnikNews.
Damit die Monster nicht zurückkommen
Der Kulturkampf geht jedem historischen Ereignis mit enormer Wucht voraus, geht mit ihm einher und setzt sich nach ihm fort, auch wenn er oft unbeabsichtigt geschieht. Der Zweite Weltkrieg, seine Akteure und die Niederlage des Nationalsozialismus sind keine Ausnahme. Im Gegenteil, dieser Streit ist sehr lebendig.

Im Westen herrscht die Rhetorik vor, das Opfer und den Heldenmut der Sowjetunion sowie die entscheidende Rolle ihrer Armee bei der Niederlage Hitlers zu "vergessen".
Sie tun dies, weil sie wissen, dass derjenige, dem es gelingt, die Macht zu übernehmen, eine neue Bedeutung zu geben und seine eigene Version der Fakten durchzusetzen, ohne jeden Zweifel der Sieger sein wird
Ist es nicht verwunderlich, dass Russland 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee nicht einmal eingeladen wurde, In situ dieses Ereignisses zu gedenken? Es gibt viele andere Beispiele. Der russische Präsident selbst warnte, dass der jüngste Entschluss des Europäischen Parlaments "die nationalsozialistischen Aggressoren praktisch auf eine Stufe mit der Sowjetunion stellt".

In Lateinamerika war immer die Erzählung vorherrschend, die die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich als große Sieger des Zweiten Weltkriegs darstellt. Im Jahr 1945, als der Krieg noch nicht zu Ende war, füllten die argentinischen Massenmedien fast jede Seite ihrer Ausgaben mit Texten und Fotos, die der angloamerikanischen Seemacht und ihren Erfolgen in Europa und Afrika gewidmet waren.

Im Gegensatz dazu hatten Artikel über militärische Aktionen der Sowjetunion in diesen Zeitungen kaum einen minimalen Platz. Es war noch schlimmer als das. Bei der Beschreibung der sowjetischen Erfolge auf dem Schlachtfeld betonten diese Medien, dass diese Erfolge nur "mit Hilfe der Alliierten" möglich gewesen seien. Mit anderen Worten, Moskau war nur dank London und Washington in der Lage, etwas zu erreichen.

Die Verherrlichung der kapitalistischen Mächte 1945 ging mit einer Stigmatisierung der Bolschewiki einher, die sich auch in satirischem Humor ausdrückte. Joseph Stalin zum Beispiel wurde immer als machthungriger Charakter dargestellt, der darauf erpicht war, das Territorium anderer Menschen zu übernehmen.

Für Argentinien war 1945 ein turbulentes und grundlegendes Jahr. Die argentinischen Bürger feierten, wie fast die gesamte übrige Welt, mit Erleichterung und voller Hoffnung den Triumph der alliierten Streitkräfte über Nazideutschland, die aus den Armeen der UdSSR, der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs bestanden. Aber auf innenpolitischer Ebene schwelten einige tiefgreifende soziale Veränderungen, die schließlich am 17. Oktober 1945 offen in Erscheinung traten.

Man kann sagen, dass Argentinien zugleich einen Prozess einer doppelten Metamorphose durchlief: einen strukturellen, kulturellen und politischen Wandel, der durch das Entstehen einer Arbeiterklasse auf lokaler Ebene definiert wurde, und im globalen Kontext des Kalten Krieges seine Integration in die neue Weltordnung der Nachkriegszeit.

Aus diesem Grund bereitete sich 1945, als alle die Einnahme des Reichstags in Berlin durch die Rote Armee feierten, auch das argentinische Volk darauf vor, der bipolaren Welt so unabhängig wie möglich entgegenzutreten. In dieser bipolaren Welt, in der wie nie zuvor der Streit um Einfluss auf der Rivalität zwischen zwei völlig gegensätzlichen Ideologien beruhte: dem von den Vereinigten Staaten unterstützten Kapitalismus und dem von der Sowjetunion unterstützten Kommunismus.

In diesem Zusammenhang und aufgrund des öffentlichen Drucks rief die damalige Militärdiktatur in Argentinien zu demokratischen Wahlen auf. Washington, im Verlangen eine absolute Kontrolle über Latein- und Mittelamerika ausüben zu müssen, konnte keine unabhängige Regierung zulassen, weil die Region der Eckpfeiler des globalen Hegemonieprojekts Washingtons war.

Als die Atombomben noch nicht auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen worden waren und noch bevor Japan kapituliert hatte, beschloss Washington am 21. Mai 1945, seinen Botschafter Spruille Braden nach Argentinien zu entsenden, mit der besonderen Aufgabe, bei der Bildung einer Koalition (der Demokratischen Union, die nicht nur die alte argentinische Oligarchie, sondern auch einen großen Teil der städtischen Mittelschicht repräsentierte) zu helfen. Diese Koalition musste das Entstehen einer unabhängigen Volksbewegung stoppen, die damals von General Juan Domingo Perón angeführt wurde.
In den 1930er Jahren unterstützten die westlichen Eliten den Faschismus — auch wenn sie es nicht zugeben — um die Ausbreitung der Ideen der Russischen Revolution und der sowjetischen Erfahrung unter den Arbeiterbewegungen zu stoppen
In Lateinamerika wurde in gleicher Weise versucht, mit allen Mittel jede aufständische Kraft, die die Führung Washingtons in Frage stellte, zu vernichten und zu dämonisieren.

Die fortgesetzte historische Forschung, die Suche nach neuen Beweisen und die Infragestellung der stereotypen Rhetorik sind die grundlegenden Schritte, die notwendig sind, um die Rückkehr von Völkermorden und Totalitarismus zu verhindern, die wir als Dinge der Vergangenheit ansahen. Heutzutage versuchen in Europa einige Bewegungen, die faschistische Vergangenheit zu imitieren. Dieses Wiederaufleben wird durch die Manipulation von Informationen und die Verzerrung der vergangenen Ereignisse durch die dominierenden Massenmedien und die akademische Welt begünstigt.

Wir begrüßen die Entscheidung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, das größte existierende Archiv des Zweiten Weltkriegs zu schaffen. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, die Wahrheit zu erfahren und zu verbreiten, um die Rückkehr jener extremen Momente zu vermeiden, die uns beschämen, der menschlichen Rasse anzugehören.
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